Gaslicht ist Kulturgut

In der Mythologie ist die Entwicklung des Menschen entscheidend vom Umgang mit Feuer und Licht geprägt. Erst der Mensch hat das Feuer kultiviert.

Es war ein entscheidender Schritt vom Menschen zum Tier als der Mensch sich das Feuer zu Eigen machte. Über Jahrhunderte gelang die Umwandlung von primärer Energie in brauchbare Alltagskultur und führte auch zur Entwicklung der Gasbeleuchtung. Diese wiederum ermöglichte großartige Erfindungen und ingenieurtechnische Leistungen: Das künstliche Licht in der Nacht und die Wärme im Winter gehören zu den wichtigsten Meilensteinen in der kulturgeschichtlichen Entwicklung der menschlichen Gesellschaft.
Die Nutzung von erzeugtem oder in der Natur vorkommenden Gas als Energie für Licht und Wärme war und ist ein wesentlicher Schritt im menschlichen Bestreben, Unabhängigkeit von den natürlichen Bedingungen zu erlangen und sich den gesamten Planeten zum Lebensraum zu machen.

Ursprünge der Straßenbeleuchtung
Um den kulturellen Wert des Gaslichts zu verstehen, muss zuallererst ein Blick auf die Geschichte der Gasstraßenbeleuchtung und der Gasversorgung gerichtet werden. Die Ursprünge einer Straßenbeleuchtung reichen bis in das 16. Jahrhundert zurück. Zu dieser Zeit war man beispielsweise in Paris dazu übergegangen, vereinzelt Kienspäne und Pechpfannen in den Gassen der Stadt aufzuhängen. Ein Jahrhundert später konnte man schon eher von einer systematischen Straßenbeleuchtung sprechen. Benutzt wurden Rüb-Öllampen.
Vorreiter war wieder Paris im Jahr 1667, 8 Jahre später folgte als erste deutsche Stadt Hamburg und 1679 Berlin.

Der Arzt Paracelsus (1492-1541) gilt als der erste Wissenschaftler, der die Herstellung eines brennbaren Gases im Labor praktiziert und beschrieben hat. Er hielt jedoch den Wasserstoff, der bei der Einwirkung von Säure auf Metall entstanden war, für Luft.

Johann Baptiste van Helmont (1577-1644) aus Brüssel, ebenfalls Arzt und Chemiker führte den Begriff Gas ein. Er erkannte die Notwendigkeit, zu unterscheiden in Dampf, der aus Wasser entsteht, in normale Luft und in Luft mit besonderen Eigenschaften, die aus der Verbrennung von Stoffen entsteht. Er gilt als Begründer der Gas-Chemie. „Aber weil Wasser, im Dampf durch Kälte niedergeschlagen, in anderem Zustande ist als Dampf, der durch Hitze hervorgebracht ist, deswegen habe ich als freie Bezeichnung des Seltsamen, wegen Mangels eines Namens, jenen Dunst Gas genannt, nicht weit vom Chaos der Alten entfernt. Es möge mir genügen, zu wissen, dass Gas aus Dampf, Ruß und öligen Tropfen reichlich fein ist, obgleich gegen Luft vielmals dichter, und dass dem Stoff nach selbst Gas Wasser ist, durch Fermentation der festen Stoffe dazu entwickelt " (Opera Omnia 1682). Der Stoff war da, er hatte einen Namen, und nun folgten die ersten Ideen und Versuche zur Gasverwendung.

Johann Joachim Becher (1635-1682), ein Arzt aus Speyer, erfand eine Universalsprache, beschäftigte sich mit chemischen und physikalischen Forschungen und Versuchen, er entwarf die Polizeiverordnung von Mainz und half bei den Plänen für den Rhein-Donau-Kanal. Wichtig für die Geschichte des Gases waren seine Talente im Bereich Handel und Wirtschaft. 1680 ging Becher nach England und erhielt dort ein Jahr später ein Patent auf die Herstellung des Steinkohleteers, womit Schiffe konserviert wurden. Das bei der Herstellung von Steinkohleteer und Koks entstehende Gas soll Becher abgefackelt haben. Heute vermutet man, dass Becher durchaus erkannt haben könnte, was mit Gas alles möglich ist. Dokumente für eine gezielte Verwendung gibt es allerdings nicht.

Erstmals wurde Gas als Innenbeleuchtung 1786 durch den Apotheker Pichel aus Würzburg eingesetzt, er beleuchtete sein Laboratorium mit Gas, welches er aus der Trockendestillation von Knochen und Schlachtresten gewann. Die erste Gasbeleuchtung erfolgte also gewissermaßen mit gewonnenem Biogas aus Abfällen. Dieses Abfall-Gas wurde also ohne Umwandlungsverlust zu Licht. Dies war schon damals ein zukunftsorientiertes Verfahren zur Abfallvermeidung und Wiederverwertung. Ob ihm das wohl bewusst war? In Europa begann das industrielle Zeitalter, zahlreiche Wissenschaftler und Ingenieure aus den verschiedensten Ländern wetteiferten um die Erforschung wissenschaftlicher Grundlagen oder Versuchstechniken.

Andere Tüftler entwickelten Maschinen für eine technische Produktion. 3 Pioniere gelten als Begründer der Gasindustrie: Philippe Lebon (1767-1804), ein Physiker und Mathematiker aus Frankreich; William Murdoch (1754-1839), ein Techniker und Konstrukteur aus England, Mitarbeiter James Watts und schließlich Wilhelm August Lampadius (1772-1842), ein deutscher Hoch-schulprofessor mit engen Kontakten zur Industrie. Lebon erhielt 1799 ein Patent auf das Gaserzeugungsverfahren durch das Verkohlen von Holz. In einen Ofen aus Ziegeln setzte er eine mit Holzspänen gefüllte metallische Muffel ein, fing das Gas unter Wasser auf und erhielt eine leuchtende Flamme. Dies war sozusagen das erste Gaswerk. Murdoch besaß keine Patente, er experimentierte wie Lebon, allerdings verwendete er Steinkohle zur Gaserzeugung. 1792 beleuchtete William Murdoch mit Gas, das er aus Steinkohle gewann, sein Haus in Redruth/England. 1802 ließ Murdoch die Fabrik von Watt aus Anlass des Friedens von Amiens mit einer Gasbeleuchtungsanlage illuminieren. Lampadius dürfte aufgrund einiger Veröffentlichungen zu Versuchen mit Leuchtgas und einer Thermolampe zur Gasbeleuchtung gekommen sein. 1799 führte Lampadius eine derartige Thermolampe dem sächsischen Kurfürsten in Dresden vor. Aus dem Jahre 1802 sind später 5 weitere derartige Lampen bekannt geworden, jedoch nicht als öffentliche Beleuchtung, sondern eher für einen Jahrmarkt. Gleichwohl gilt England als das Geburtsland der Gasbeleuchtung.

Nach unterschiedlichen Quellen soll Philadelphia/USA schon im Jahre 1803 Gaslaternen aufgestellt haben. Definitiv bekannt ist es von London. Dort wurde 1813 eine Gasanstalt errichtet. Auf dem europäischen Kontinent gingen die ersten Gaslaternen in Paris und Wien in Betrieb, die ersten deutschen Städte mit Gasbeleuchtung waren 1826 Hannover und Berlin. Damit war die öffentliche Gasversorgung in Deutschland geboren. Die Gasversorgung war die erste Form einer zentralen Versorgung. Durch ein Rohrnetz waren nun Haushalte angebunden, bis dahin galt Jahrhunderte lang, dass ein Haus autark war, mit eigenem Brunnen sowie eigenen Licht- und Wärmequellen. Die Gasversorgung war mit ihrem Netz die erste erfolgreich umgesetzte Infrastrukturmaßnahme. An Wasser-, Abwasser- oder Stromnetze war noch lange nicht zu denken.
Mit der Gasversorgung und dem Gaslicht konnten nun vor allem die aufkommenden Fabriken ausreichend beleuchtet werden, somit war das Gaslicht ein Motor der industriellen Revolution. Das immer stärker werdende Bürgertum verlangte schließlich nach Helligkeit nicht nur im privaten Bereich, sondern auch im öffentlichen Raum. Hier bot sich geradezu an, Gas-Straßenlaternen an die bereits vorhandenen Rohrleitungen anzuhängen, um den Nutzwert des Gases einzusetzen.

Die Städte veränderten sich mit der fortschreitenden Industrialisierung rasant, das neue Gaslicht ließ die angebotenen Waren in hell erleuchteten Schaufenstern erstrahlen, mit den aufkommenden Laden-Passagen erhielten die Besitzbürger eine geschützte Flanier-Meile, die offene Straße wurde zum Innenraum.
Und überall strahlte Gaslicht.

Einen Meilenstein setzte Carl Auer von Welsbach 1885 mit der Erfindung des Gasglühlichts und der Entwicklung des Gasglühkörpers, auch Glühstrumpf genannt. Wurde bis dahin das Licht durch die Gasflamme selbst erzeugt, so erfolgte die Beleuchtung nun indirekt, maßgeblich war jetzt nicht mehr der Leucht-, sondern der Heizwert des Gases. Bis heute kann das Gasglühlicht hinsichtlich seiner Farbtemperatur, Farbwiedergabequalität und des Lichtspektrums durch kein anderes Leuchtmittel ersetzt werden. Zudem sorgte die Entwicklung der Gasbeleuchtung und des Gaslichts für einen Schub in der Metallurgie, also der Verarbeitung von Metallen, aber beispielsweise auch bei der Herstellung von Glasformen.

Die Konkurrenz zur Elektrobeleuchtung

Einschneidende Veränderungen brachte die Entwicklung der elektrischen Beleuchtung, die zunächst aber nicht über wissenschaftliche Versuchsstadien hinausging. Ein Vorläufer zur Glühlampe entwickelte Heinrich Goebel im Jahre 1854. Aber erst die von Werner von Siemens entwickelten ersten Stromerzeuger (Dynamos) brachten die Elektrizität voran. Die Kohlefadenlampe als Weiterentwicklung der elektrischen Glühlampe, die Thomas Alva Edison 1879 vorstellte, brachte schließlich den Durchbruch. Mehr Bedeutung hatten elektrische Bogenlampen, die von Siemens & Halske entwickelt wurden, sie wurden 1879 in New York erstmals aufgestellt. Berlin folgte 1882. Es war die Geburtsstunde der elektrischen Straßenbeleuchtung. Mit dem Aufkommen der Elektrizität musste es ganz zwangsläufig zum Konkurrenzkampf zwischen den beiden Energiearten kommen.

Das Licht aus elektrischer Energie reicht qualitativ nicht an das Gasglühlicht der Auer-Glühstrümpfe heran. Dennoch wurde und wird ein Kampf um die Vorherrschaft auf den Straßen vor allem von Seiten der elektrischen Konkurrenz sehr aggressiv geführt.

Hinzu kam die Fortschrittsgläubigkeit der Nachkriegsjahre, die in zahlreichen Städten zu zusätzlichen "Überplanungen" (=Zerstörungen) der stark beschädigten Innenstädte führte. Endlich frei planen können, endlich weg von engen Gassen! Diese Haltung vernichtete historisch wertvolles Kulturgut. Die Beleuchtungsfrage wird seither oftmals nur technisch gesehen.

Natriumdampflicht war lange "State of the Art" oder Stand der Technik. Ästetisch eher ein Tiefpunkt:

Gaslicht
Gaslicht
NAH-Licht
Natriumdampflicht

Link Lichtqualitäten

Aber inzwischen geraten Lichtverschmutzung, Insektenschutz und die Wirkung des Lichtes auf den menschlichen Melatoninhaushalt zunehmend in den Focus
Damit sollen sich die Hersteller der Elektroleuchten herumschlagen, das alles ist bei Gaslicht kein Thema.

Für 08/15 Massenware ist zurzeit LED-Licht bzgl. Effektivität „1. Wahl“. Wie Fast-Food zum schnellen Sattwerden.

Umdenken in tourismusorientierten Städten

»Effektivität ist nicht alles«, denkt der Link Prager Rat und stellt über 600 neue Gaslaternen auf. Ähnliches geschieht auf dem Link Neusser Markt.
Link Düsseldorf stellt seine Laternen 2020 unter Denkmalschutz, und strebt gerade deren Anerkennung als Weltkulturerbe (!) an.

Fazit:

Eine prächtige Kutsche ist mehr als ein Fortbewegungsmittel, ein ungedämmtes Herrenhaus mit hohen Zimmerdecken ist mehr als eine Unterkunft und eine offene Feuerstelle ist mehr als eine Wärmequelle. Und ebenso ist eine Gaslaterne mehr als nur eine Lichtquelle.

All dies sind Zeichen besonderen Geschmacks und für jederman sichtbare Repräsentation als Gegengewicht zur ästhetischen Verarmung des Stadtbildes.

Jede Laternen ist Teil unseres industrie-kulturellen Erbes. Treten wir dieses Erbe würdig an!


Link Argumente Pro Gaslicht